353: Starkes Ruckeln/Vibrieren im Leerlauf

Reparatur, Alles rund um Serienteile
Antworten
Gryffindor
Beiträge: 2
Registriert: Mittwoch 3. November 2021, 18:24

353: Starkes Ruckeln/Vibrieren im Leerlauf

Beitrag von Gryffindor » Mittwoch 3. November 2021, 18:43

Ein "Moin" aus Hamburg!

Als stiller Mitleser konnte mir hier schon mehrfach geholfen werden. Vielen Dank dafür!

Nun (nach durchsuchen sämtlicher Foren, welche sich mit dem Thema "Wartburg" beschäftigen) bleibe ich leider ratlos. Hoffentlich ändert sich das bald.

Ich weiß, dass nun eine ganze Latte an Text folgt, aber ich möchte so ausführlich wie möglich sein, denn vielleicht liegt der Fehler auch im Detail.

Mein '81er 353er mit 103.000 (vielleicht aber auch 203.000; wer weiß das schon so genau) gelaufen Kilometern ruckelt im Leerlauf.
Mir ist bewusst: Ein gewisses Ruckeln ist normal, aber in meinem Wartburg "tanzt" alles: Der Motor, die Motorhaube, die Sitze, die Ablagen, der Schalthebel, etc.
Ich muss selbstkritisch zugeben, dass mich das anfangs gefreut hatte, meinen Erinnerungen nach sollte das auch genauso sein. Nur liegen meine Erinnerungen sehr weit zurück, denn älter als 5 (94/95) bin ich nicht gewesen als ich das letzte mal in einen Wartburg saß.
Rückblickend weiß ich natürlich, dass Erinnerungen und Gefühle, welche schon verblasst sind, keine guten Begleiter beim Autokauf sind.

Zurück zum eigentlichen Thema:
Erhöhe ich die Leerlaufdrehzahl, dann "tanzt" gar nichts mehr. Alles oben beschriebene ist optisch ruhig, aber man hört und merkt beim Hineinsetzen, dass der Wartburg sehr vibriert.

Um das Problem in den Griff zu bekommen, habe ich folgendes abgearbeitet:

Kraftstoffsystem/Vergaser
- Benzinpumpe neu
- BVF-40 F2-11 Vergaser über mehre Stunden im Ultraschallbad gereinigt, mit Ballistol-Spray überprüft, ob die Kanäle frei sind und um die Ölrückstände zu entfernen nochmals im Ultraschallbad gereinigt.
Sämtliche Teile wie Schwimmer, Nadelventil, Düsen wurden gegen Neuteile getauscht.
Die Kraftstoffhöhe habe ich nach der Senfglas-Methode eingestellt und den Rest nach den Büchern.
Zum Testen hatte ich auch den älteren BVF-40 F1-11 verbaut. Auch hier die gleiche Prozedur wie beim 2er (Ultraschallbad, Neuteile, etc.).

Zündung
- Neue NGK AB-6 Zündkerzen (175er Wärmewert) Der Zylinderkopf wurde überarbeitet, deswegen benötige ich Kerzen mit einem 18er Gewindedurchmesser. Handelsübliche Kerzenstecker für 14er Kerzen passen aber.
- Neue NGK Kerzenstecker
- Neue Zündkabel
- Neue Plitz Zündspulen
- Elektronische Zündung
Da mir die Elektronische Zündung unbekannt ist und ich somit auch nicht weiß wie ich die einstelle, habe ich diese gegen eine Unterbrecherzündung getauscht sowie wieder neue Kerzen, Kabel und Spulen.
Bei nur leichten Anziehen der Schrauben von der Unterbrecherplatte verschiebt sich der Zündzeitpunkt sehr deutlich, sodass ich einige Anläufe gebraucht habe.
Um die Zündspulen zu schonen habe ich mich für eine im Barkas-Forum beschriebene Einstellmethode entschieden. Dabei werden die Zündspulen abgeklemmt und die Prüflampe zwischen Batterie-Plus und Stromschiene der Unterbrecher geklemmt.

(Falsch-)Luft
Durch Zufall ist mir aufgefallen, dass sehr wenig Luft durch das Luftfiltergehäuse angezogen wird. Bedecke ich den Schnorchel des Gehäuses luftdicht, dann läuft der Motor ganz normal weiter. Ziehe ich den Choke komplett oder bedecke bei abgebauten Ansauggeräuschdämpfer den Ansaugstutzen des Vergasers, dann geht der Motor aus.
Weil mein Luftfiltergehäuse sehr rostete, habe ich diesen sowie den Ansauggeräuschdämpfer und Luftschlauch durch Neuteile ersetzt.
Es wird weiterhin sehr wenig Luft durch den Schnorchel angezogen und bedecke ich den Schnorchel komplett, läuft der Motor immer noch weiter. Soll das so sein?
Der Luftfilter ist neu, getestet wurde auch ein neuer aus DDR-Produktion.
Bei laufendem Motor habe ich den Vergaser und Flansch großzügig mit Bremsenreiniger eingesprüht. Eine Veränderung der Drehzahl konnte ich nicht feststellen.
Aufgefallen ist mir Nässe (keine Flüssigkeit vom Test mit dem Bremsenreiniger) unten zwischen Motorblock und Getriebe. Ein Indiz auf eine undichte Kurbelwelle und mögliche Falschluft?

Motorlager
Meine Motorlager sind offensichtlich rissig und waren daher eigentlich auch meine ersten Verdächtigen.
Allerdings glaubte ich auch, dass sich defekte Lager während des Fahrbetriebes deutlich durch Scheppern bemerkbar machen. Deswegen habe ich diesbezüglich noch nichts unternommen.
Eine Fehleinschätzung meinerseits?

All die Veränderungen brachten nicht die erhoffte Wende, denn das Ruckeln/Vibrieren ist stets gleichbleibend geblieben.

Der Gute springt sofort an und mit den Fahrleistungen bin ich äußerst zufrieden.
Die Beschleunigung ist gut, kein Leistungsverlust.
Das Auto macht mir beim Fahren sehr viel Spaß, naja, nur eben nicht im Leerlauf.

Wenn ihr es bis hierhin ganz geduldig geschafft habt: Danke!
Vielleicht habt ihr auch eine Idee oder gar die Lösung.


In Hamburg sagt man "Tschüß", das heißt "Auf Wiedersehen".

Benutzeravatar
bic
Beiträge: 362
Registriert: Freitag 5. Dezember 2014, 00:52

Re: 353: Starkes Ruckeln/Vibrieren im Leerlauf

Beitrag von bic » Donnerstag 4. November 2021, 09:49

Gryffindor hat geschrieben:
Mittwoch 3. November 2021, 18:43
All die Veränderungen brachten nicht die erhoffte Wende, denn das Ruckeln/Vibrieren ist stets gleichbleibend geblieben.
Na - aber so hat das Auto doch mal wenigstens eine ordentliche Inspektion erhalten :D

Sicher hast Du Recht, dass beim Wartburg eine gewisses "Ruckeln" normal ist, diese findet jedoch fast ausnahmslos immer in der Drehachse, quasi als Drehschwingung statt. Es resultiert daraus, dass prinzipbedingt der Zweitakter nicht in der Lage ist, im Schwachlastbetrieb (daher bei fast geschlossener Drosselklappe), bei jeder Umdrehung ausreichend zündfähiges Gemsich in den Brennraum zu befördern, so dass praktisch der eine oder andere Arbeitstakt ausfällt (man kann die Situation diebzgl. zwar verbessern, aber nicht völlig abstellen).

Das, was du da jetzt aber beschreibst, daher vor allem auch das durchgängige Vibrieren in allen Drehzahlbereichen, hat jedoch andere Ursachen, nämlich Kräfte und Momente, welche 90 Grad zur Drehachse des Motors wirken. Diese kommen jedoch nur zustande, wenn irgend etwas mit der Auswuchtung des Kurbeltriebs nicht stimmt. Der einzige hierfür wirklich in Frage kommende Kanditat ist die Schwungscheibe, bei welcher viele nicht beachten, dass diese früher einmal gemeinsam mit der Kurbelwelle und der Riemenscheibe gewuchtet wurde und sie daher ein Leben lang genau an diese eine Kurbelwelle gebunden ist.

Wird nun -aus welchem kühlen Grund auch immer- am Motor die Kurbelwelle gewechselt, darf die alte Schwungscheibe nicht unverändert weiter verwendet werden, sondern ist vorher auf 0 auszuwuchten. Macht man dies nicht, bekommt man mit einigem Glück genau dies Ergebnis, welches Du nun scheinbar hast :mrgreen:

Andere Ursachen sind natürlich auch noch möglich, so könnte z.B. die Kurbelwelle in sich verdreht oder bei einer Überholung aus eigentlich nicht zusammengehörigen Hubscheiben montiert worden sein - diese Fehlerquellen findet man jedoch sehr selten. Auch eine lose, also nicht fest montierte Schwungscheibe ist möglich, dies verursacht jedoch i.d.R. Geräusche, vor allem beim Abstellen des Motors - so etwas scheint aber bei Dir ja nicht der Fall zu sein.

Und was dann am Ende auch nicht auszuschließen ist, ist, dass Du falsche Vorstellungen von der Laufruhe des Wartburgmotors hast und dieser eigentlich völlig normal läuft :)

Aber ich tippe eben eher auf die Schwungscheibe.

Gryffindor
Beiträge: 2
Registriert: Mittwoch 3. November 2021, 18:24

Re: 353: Starkes Ruckeln/Vibrieren im Leerlauf

Beitrag von Gryffindor » Donnerstag 4. November 2021, 20:41

Vielen Dank für deine ausführliche Erklärung.
Nun fällt mir auch ein, dass im Reparaturhandbuch explizit auf die alte Stellung der Schwungscheibe oder auf das Auswuchten neuer Schwungscheiben hingewiesen wird.
Trotzdem bin ich nicht auf die Idee gekommen, dass gerade die Schwungscheibe der Auslöser meines Problems sein könnte.

Gibt es bei den Schwungscheibe auch Unterschiede zwischen den Baujahren bis und ab '85?
Wenn der Motorblock eh schon einmal draußen ist (ich habe nicht vor diesen zu öffnen), welche weiteren Arbeiten (z.B. Kupplung überprüfen) sollten mit erledigt werden?

Wenn mein Motor wirklich eine normale Laufruhe hat, dann investiere ich lieber noch in ein paar Blinkerkappen, denn eine solche Kappe ist mir an einer roten Ampel wartend abgeplatzt (beide Schrauben waren noch fest in der Karosserie).

Noch einmal vielen Dank!

Benutzeravatar
bic
Beiträge: 362
Registriert: Freitag 5. Dezember 2014, 00:52

Re: 353: Starkes Ruckeln/Vibrieren im Leerlauf

Beitrag von bic » Donnerstag 4. November 2021, 21:16

Gryffindor hat geschrieben:
Donnerstag 4. November 2021, 20:41
Vielen Dank für deine ausführliche Erklärung.
Nun fällt mir auch ein, dass im Reparaturhandbuch explizit auf die alte Stellung der Schwungscheibe oder auf das Auswuchten neuer Schwungscheiben hingewiesen wird.
Trotzdem bin ich nicht auf die Idee gekommen, dass gerade die Schwungscheibe der Auslöser meines Problems sein könnte.
Na - zumindest ist es eine sehr, sehr plausible Erklärung :)
Gibt es bei den Schwungscheibe auch Unterschiede zwischen den Baujahren bis und ab '85?
Natürlich gab es im Laufe der Jahrzehnte Änderungen an den Schwungscheiben, aber keine wesentlichen und auch keine zum Zeitpunkt ´85. Im Grunde funktionieren am 353er auch die Schwungscheiben vom IFA F9 (und auch umgedreht).
Wenn der Motorblock eh schon einmal draußen ist (ich habe nicht vor diesen zu öffnen), welche weiteren Arbeiten (z.B. Kupplung überprüfen) sollten mit erledigt werden?
Nun, das liegt ja an Dir, denn eine paar Brocken hast du dann ja schon in der Hand --> Anlasser, Lima .... und natürlich die Schwungscheibe wuchten lassen, am besten gleich zusammen mit dem Automaten, welchen man dann verwenden will (Position markieren). Als Hamburger hast du es da ja einfach --> https://auswucht-profis.de/

Das Ergebnis kann dann so aussehen:

DSC05769.jpg
Da vibriert dann nichts mehr :mrgreen:
Wenn mein Motor wirklich eine normale Laufruhe hat, dann investiere ich lieber noch in ein paar Blinkerkappen, denn eine solche Kappe ist mir an einer roten Ampel wartend abgeplatzt (beide Schrauben waren noch fest in der Karosserie).
Wieder geblinkt wie ein Wahnsinniger, oder?

Antworten