Bob311 hat geschrieben: ↑Sonntag 12. Juli 2020, 17:15
Viele Fragen.
Na, da werde ich doch mal versuchen darauf Antwort zu geben
Zuerst sollte man sich einmal deutlich machen, dass es nur einen einzigen Grund für Kolbenklemmer gibt, nämlich die Unterschreitung des Laufspiels der Kolben in den Zylindern. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein und sind immer im Zusammenhang mit der (unterschiedlichen) Wärmedehung der Kolben und Zylinder zu verstehen. So kommen zunächst einmal rein mechanische Ursachen in Frage, wie z.B.:
- ein falsches Bohrungsmaß
- unrunde oder ballige Bohrungen
- eine falsche Hontechnik
- schief oder verdreht laufende Kolben
- Kolben mit falscher Balligkeit und/oder falscher Ovalität
- (Nachbau)Kolben aus ungeeignetem Material
Bei solchen Fehlern ist ja leicht einzusehen, dass hier die große Gefahr besteht, dass das notwendige Laufspiel der Kolben von vornherein partiell oder gar insgesamt unterschritten und somit ein sich ausdehnender Kolben klemmen wird. Dass bei Dir nun ein deratiger Fehler vorliegt, ist wohl auszuschließen, denn Dein Motor scheint ja nun schon etliche tausend km gelaufen zu sein.
Daher kommt in Deinem Fall eher in Frage, dass die Unterschreitung des Laufspiels aus einer kontruktiv nicht vorgesehenen, übermäßigen Wärmedehnung der Kolben gegenüber den Zylindern resultiert, wofür es dann auch hierfür wieder verschiedene Ursachen gibt, z.B.:
- Überhitzung des Kolbenhemds durch seitliches Durschlagen von Verbrennungsgasen wegen übermäßiger Verschleiß
- desgleichen wegen gebrochener oder festsitzender Kolbenringe
- Überhitzung der Kolben wegen:
- falscher Gemischzusammensetzung (übermäßiger Magerbetrieb)
- wegen fehlerhafter Zündeinstellung (zuviel Frühzündung)
- gestörtem Spülvorgang wegen defektem/falschem Auspuff (vor allem Vorschalldämpfer)
- zu hoher Verdichtung
- ungeeignetem Kraftstoff
- falscher Zündkerzen
- ect.
- übermäßige thermische Belastung der Kolben bei ungenügender Erwärmung des Motors insgesamt (Kaltlaufklemmer)
Nach allem, was Du geschrieben hast (daher keine Klingelerscheinungen, (halbwegs) normales Laufverhalten, usw.) vermute ich einmal ganz stark, dass bei Dir der allerletzte Punkt Ursache für Deine Kolbenklemmer ist. Die von Dir genannte Betriebstemperatur von 65 Grd. ist viel zu gering, um am Ortsausgang den Motor mit Vollgas "durchzubeschleunigen". Die konstruktiv vorgesehene Endausdehung des Grauguß-Motorblocks wird nämlich erst bei ca. 80 - 85 Grd. erreicht (AWE gab die Betriebstemperatur zuletzt mit 85-95 Grd. an), erst dann "überhohlen" die mit voller Verbrennungstemperatur belasteten Leichtmetall-Kolben mit ihrer Wärmedehnung die des Blocks nicht mehr und das erforderliche Laufspiel bleibt erhalten. Du hast also ganz einfach Kaltlaufklemmer fabriziert. Ob der Motor hierdurch nun schon einen großen Schaden genommen hat, lässt sich tatsächlich nur nach dessen Demontage und ggfls. Vermessung beurteilen - der Blick durch die Ein- und Auslassschlitze und/oder das Abnehmen des Zylinderkopfes bringt nicht genügend Sicht auf die Kolbenhemden. Allerdings lässt das Laufgeräusch Deines Motors (Video) vermuten, dass es einen Kolben schon ordentlich "erwischt" hat, das zu hörende Tickern deutet daruf hin, dass ein Kolben durch Überhitzung "eingefallen" ist und dieser nun wegen eines übermäßigen Spiels kippt.
An sonst hat übrigens weder die Menge, noch die Qualität des verwendten Öls übermäßigen Einfluss auf die Klemmneigung des Motors, vorausgesetzt, man verwendet ein halbweg geeigentes (Motoren/Zweitakt)Öl in halbwegs ausreichender Menge. Der für den Kolbenlauf erforderliche Ölfilm auf den Zylinderwänden wird nämlich auch durch das Beigeben einer größeren Menge an Öl nicht stärker. Entscheidender ist hierbei die ausreichende Versorgung aller Lager des Kurbeltriebs, wobei das obere Pleuellager besonders kritisch ist. Nicht umsonst hat das Werk das Mischungsverhältnis von 1:50 lediglich für Motoren freigegeben, welche hier ein Nadellager haben. Da die 1000er Motoren des 311er im oberen Pleuellager aber auch ein Gleitlager besitzen können und Du sicher nicht weist, wie es bei Deinem Motor aussieht, würde ich beim (hier vorschriftsmäßigen) Mischungsverhältnis von 1:33 bleiben.
Was übrigens Dein Kerzenbild betrifft - weiß ist das neue rehbraun. Daher, die alten Abbildungen von Kerzengesichtern kann man vergessen, die heutigen Kraftstoffe führen bei ordnungsgemäßer Gemischeinstellung zu weißen, hellgrauen oder beigen Kerzenbildern. Zwei Deine Kerzen sehen daher völlig normal aus, lediglich die dritte ist etwas zu dunkel. Ursache hierfür kann durchaus sein, dass diese Kerze ihre Freibrenntemperatur nicht erreicht hat, denn Du verwendest den falschen Wärmewert - in den AWE-Motor gehören nämlich 175er und keine 225er Kerzen hinein.
Noch kurz zu Deinem Vergaser. Dass der H362-24 nicht oder kaum auf die Einstellung der Leerlaufgemischschraube reagiert, kann schon mal vorkommen, vor allem dann, wenn die Ansauganlage (und auch die Auspuffanlage) sich nicht völlig im Originalzustand befindet. Ist hier jedoch alles i.O., kann man durch die Verkleinerung oder Vergößerung der Leerlaufdüse (original ist hier eine 60er) den Wirkungsbereich der Leerlaufgemischschraube wieder herzustellen. Achso, auf den Schwimmerstand reagieren die Flachstrom-BFV übrigens relativ unkritisch. Einstellen könnte man diesen ohnehin lediglich über die Stärke der Dichtung des Schwimmernadelventils und da wird es etwas schwierig. Ich würde das daher so lassen.
So, nun erst einmal genug. Ich hoffe, einige Deiner Fragen sind nun beantwortet
